Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine haben tausende Männer aus Russland versucht, in Deutschland Schutz zu finden. Doch nur ein Bruchteil von ihnen bekam Asyl. Laut neuen Zahlen des Bundesinnenministeriums erhielten seit Anfang 2022 lediglich 349 russische Männer im wehrfähigen Alter Asyl oder ähnlichen Schutz in Deutschland. Die Linke kritisiert diese niedrige Zahl scharf und wirft der Bundesregierung gebrochene Versprechen vor.
Tausende Asylanträge, wenige Erfolge
Zwischen Januar 2022 und April 2025 stellten laut offiziellen Angaben 6374 russische Männer im Alter zwischen 18 und 45 Jahren einen Asylantrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).
Von diesen Anträgen wurden nur 349 Personen als asylberechtigt oder flüchtlingsschutzwürdig anerkannt, erhielten subsidiären Schutz oder durften wegen eines Abschiebungsverbots bleiben. Der Rest der Anträge wurde abgelehnt oder an andere EU-Staaten weitergereicht, weil dort das sogenannte Dublin-Verfahren greift.
Linke-Abgeordnete: “Beschämend niedrige Zahl”
Die Linken-Politikerin Clara Bünger bezeichnete die aktuelle Praxis als enttäuschend. Sie hatte die Anfrage an das Innenministerium gestellt, um herauszufinden, wie viele russische Deserteure tatsächlich in Deutschland Zuflucht finden.
„Gemessen an den Hunderttausenden, die Russland verlassen haben, um sich dem Krieg zu entziehen, ist das eine beschämend niedrige Zahl“, sagte Bünger.
Sie erinnerte auch an ein Versprechen von Ex-Kanzler Olaf Scholz aus dem Jahr 2022. Damals hatte Scholz angekündigt, dass russische Kriegsdienstverweigerer in Deutschland Schutz finden sollen. Laut Bünger sei dieses Versprechen „nicht einmal ansatzweise umgesetzt“ worden.
Wer hat überhaupt eine Chance auf Schutz?
Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl erklärt, dass in der Praxis nur Deserteure, also Personen, die bereits beim Militär waren und geflohen sind, gute Chancen auf Schutz in Deutschland haben.
Kriegsdienstverweigerer, die sich schon vor einem Einberufungsbefehl aus Russland abgesetzt haben, tun sich deutlich schwerer. Laut Pro Asyl sei deren Gefahr, verfolgt zu werden, schwerer nachweisbar – obwohl auch sie sich dem Krieg bewusst entziehen.
Nur Teilmobilmachung in Russland – doch Druck steigt
Der russische Präsident Wladimir Putin hat bislang offiziell nur eine Teilmobilmachung angeordnet. Dennoch berichten zahlreiche Medien und Organisationen von einem zunehmenden Druck auf junge Männer, sich zum Militärdienst zu melden.
Viele Russen fliehen daher schon vor einer möglichen Einberufung. Doch diese Flucht reicht nach deutschem Recht oft nicht aus, um als Flüchtling anerkannt zu werden.
Internationale Kritik und offene Fragen
Die geringe Zahl an positiven Asylbescheiden wirft auch völkerrechtliche Fragen auf. Denn Russland führt laut UNO und EU einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Wer sich diesem Krieg entzieht, erfüllt laut Menschenrechtsorganisationen oft die Voraussetzungen für Asyl.
Deutschland steht damit in der Kritik, zu restriktiv vorzugehen – trotz anderslautender politischer Ankündigungen. Auch im EU-Vergleich liegt die Zahl der anerkannten russischen Flüchtlinge in Deutschland niedrig.
Menschenrechtler fordern klare Linie
Menschenrechtsgruppen fordern von der Bundesregierung eine eindeutige Haltung: Wer aus Gewissensgründen nicht an einem völkerrechtswidrigen Krieg teilnehmen will, soll Schutz erhalten.
„Der Schutz für Kriegsdienstverweigerer ist ein Grundprinzip des internationalen Flüchtlingsrechts“, betont ein Sprecher von Pro Asyl.
Trotz tausender Anträge bleibt Asyl für russische Kriegsdienstverweigerer in Deutschland eine Ausnahme. Die politische Debatte über den Umgang mit diesen Fällen dürfte weitergehen – auch angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine und neuer Berichte über Einberufungen in Russland.

